Dienstag, 10. Dezember 2024
Camelot
Bald erreiche ich das 70zigste Lebensjahr. Was für eine Zahl, als ich jünger war, hätte ich das nie für möglich gehalten, so alt zu werden. Zum einem wegen meines exsessiven Lebenswandels, zum anderen habe ich in der "Schlange" bei der Post, als ich einen Brief abgeben wollte, ein Gespräch zwischen zwei Frauen mit angehört.

Es gibt Momente im Leben, die in einem mitschwingen, ein Leben lang, dieses Gespräch mit anzuhören war so ein Moment. Für mich sind das mittlerweile Omen auf dem Weg des Lebens, wie ein rote Faden dem ich folge und reflektiere, um mich selbst zu spiegeln.

Die beiden Frauen waren um die 45-50 Jahre alt, sie sprachen über ihre Zukunft, die eine meinte, sie würde sich von ihrem Erspartem eine Neue Küche kaufen, in den Urlaub fahren, was will man sonst noch machen, die andere meinte darauf, ja einmal würden sie noch ihr Haus renovieren, dass würde reichen für die Zukunft. Der Rest des Gespräches zogen sie über andere Leute her.

Ich war 18 und ich viel für einen kurzen Augenblick in ein schwarzes Loch. Das soll das Leben sein. Diese Vorstellung machte mir Angst, und ich habe mir selbst geschworen, dass es bei mir nicht so kommen wird, dass ich mit 45 in den allgemeinen Stumpfsinn verfalle.

So ist es dann auch gekommen, ich habe keine Gelegenheit ausgelassen im Chaos tanzen zu lernen, es war wie ein Sog, getrieben und so hungrig nach dem wahren Leben. Fast alles, was von Außen kam, war uninteressant, hatte nichts mit mir zu tun. Einzig das Gefühl der Liebe war lohnenswert, zu verweilen.
Dann wieder On the Road Again.
Da war nichts, was mich gehalten hätte, außer Alltagsgewohnheiten, einschlafen in der Routine. Das habe ich gefürchtet wie der Teufel das Weihwasser.
Leben in meiner Wahrnehmung ist ein Abenteuer, und je nachdem was man leidenschaftlicht sucht, wird es auch finden.

Eine Kerze die an zwei Enden brennt. Mein innerstes Feuer war übermächtig und viele Dinge waren nur mehr Asche. Das war für mich über 2 Jahrzehnte der Gang durch die Hölle, wer in den Himmel will, muss durch die Hölle. Bildlich war es mir, als ob ich Untertage in einem Schraubstock eingeklemmt und bearbeitet wurde, wie ein Stein geschliffen wird.

Daneben, waren auch Zeiten, wenn auch nur flüchtig, wo meine Seele leicht wie ein Schmetterling in einem Bereich des Bewusstseins geschwebt ist, wo alles gut ist, voller Harmonie und grenzenloser Liebe, da wohnt kein Zweifel. Ganz und Heil. Das ist es, was mich am Leben hält.

Mit 48 war ich soweit, meinen Lebenswandel zu korrigieren, mein ganzes Weltbild über Bord zu werfen, Stück für Stück, mein inneres und das Äußere kollidierten miteinander, wie ein "Urknall". Jahrelange Depression, die dunkle Nacht der Seele. Das ist wohl das Wesentlichste Abenteuer überhaupt, den Kontakt zu meiner Seele wieder herzustellen. Wie einst in den Kindertagen, da war sie präsent.

Mit 50 habe ich aufhören können mich selbst zu belügen, ich reflektiere mich ja ständig selbst, also wozu. Mein Umfeld kann es entweder ertagen oder nicht, dass ist nicht mehr mein Problem, noch bin ich nicht in der Routine eingeschlafen, mein Geist lebt.
Der Hunger hat sich gewandelt in Sehnsucht, nach Ganzheit, Leichtigkeit, ein Echo in mir, auch wenn aus dem Feuer nur noch Glut übrig geblieben ist. Sehnsucht nach einem Zustand wo meine Seele frei schwingen kann.

Selbstdisziplin und Konsequenz, statt grenzenloser Ausschweifung, war nun im Programm. Ich war abgrundtief müde, vom Weltentheater, dass ich eingesogen habe, wie einen Schwamm das Wasser.
Überdruss, übervoll.

Habe mich völlig zurück gezogen, aus alten Aktivitäten. Stille.

In dieser Zeit, dem fordernden seelenlosen Materialismus, Verblendung und hinters Licht führen, scheint es fast unüberwindlich, weil wir darauf geprägt sind, sozusagen das Brandzeichen.

Es ist wie eine alte Bodenkammer aufzuräumen, dass meiste braucht man nicht mehr, aus dem Inventar entfernen, nach und nach wird es lichter. So ist es mit unserem göttlichen Wesen, zu viel im Inventar, um es noch zu erkennen, verschüttet. Das ist die immerwährende Falle für das Menschliche dasein, die
Fixierung.

Mein Gott ist besser als deiner. So denkt man im Kindergarten, wo man sich noch omnipotent erlebt.
Es ist gut für mich solche Dummheiten zu meiden, es fühlt sich an, wie Kettenkarusell zu fahren, bis einem schlecht wird.

Das Wissen um die Vergänglichkeit, der Tod als Wegbegleiter, ist tief in mir verwurzelt, seit Kindertagen. Vielleicht auch deswegen, weil ich das Leben so geliebt habe, und eines Tages nicht mehr, so in der Form sein wird, nimm alles mit, wie Biene auf der Blumenwiese, so gesehen ist der Tod eher ein Ratgeber, als das man sich fürchten müsste.
Zu oft bin ich schon "gestorben" es ist immer ein Teil gegangen, der nicht mehr nötig ist. Loslassen, als Übung.

So fließen die Jahre dahin. Wenn ich früher als Kind, die Erde und die Welt betrachtete hat sie mich verzaubert, wie ein Wunder. Heute sehe ich das Ganze immer noch als ein Wunder, ein Mysterium, nun weiß ich um den Schrecken ein Mensch zu sein. Meine Lebensaufgabe, das Wunder und den Schrecken in Balance zu halten.

Als ich 60 wurde, ging der Weg in eine mir, völlig neue Richtung das Alter. Die letzte Stufe des Lebens, der Winter. Der in seiner Klarheit schön ist, wie auf einem Gipfel angekommen und man Sicht über das ganze Land hat. Mich treibt nichts mehr, und das was ich suche ist nicht weltlich, aus diesem Brunnen habe ich getrunken.

Lasse die Tage auf mich "regnen", und nehme wie es kommt. Je nach meiner inneren Stimmung, die ich beobachte. Es ist zyklisch, es geht runter und es geht wieder rauf. Manchmal befinde ich mich noch in der Schmiede, dass Werk ist noch nicht fertig.
Hin und wieder laufe ich noch in eine Falle, merke es aber recht schnell.

Meine Wohnung ist mir zum Camelot geworden, meine Burg und Festung. Hab mir ein Zimmer zum Atelier gemacht und verwebe mich darin mit meinen Träumen.
In meinem Räumen dulde ich keinen Unfrieden mehr, und gehe negativer Energie aus dem Wege. Kann die Welt nicht retten, mich so gut es geht schon. Mein Seelenfrieden ist mir heilig geworden.

Hatte in der dunkelsten Zeit, einen Tagtraum, der so wahr war, wie die Tasse Tee neben mir. Ich habe meine Erschaffung als Seele gefühlt, und auch die der anderen Seelen, was für eine Freude, alles war erhaben und voller Liebe und Heiterkeit und sich seiner selbst unbewusst, wie Kinder an der Mutterbrust.

Für mich ist Leben auch Entwicklung, und das ist glaube ich, ein unendlicher Prozess. Der Weg der unbewussten Seele zum erkennen seiner selbst.
Auch glaube ich das es mehr Dimensionen gibt, wo wir Seelen verweilen können. Wenn man träumt ist das so, wir gehen ein in etwas anderes, zu dem Verstand, der Lügner, keinen Zugang hat. Wenn wir mehr als nur 5% nutzen könnten von unserem Bewusstsein, was würden für gigantische Wunder auf uns warten, mehr als wir jemals erfassen können.

Statt dessen hat man die Menschheit und die Liebe ans Kreuz genagelt, bis heute. Wenn ich so etwas wie einen Feind habe, ist es die Dummheit, der Leute und ihre Art der sinnlosen Oberflächlichkeit. Kann man mal machen, nur die Dauerschleife daran, ist das Problem.
Das Manifestieren der Lüge. Die Menschheit hat sich selbst vergessen, wie in einem Rausch, als ob es kein Morgen gäbe. Der kommt gewiss, dass ist sicher.

Jetzt mit weißem Haar, wenn ich zurück sehe auf mein Leben, was für eine Jagd nach Erfahrungen, tiefes Leid, und mitten in der Sonne gestanden, es wundert mich, dass ich das überlebt habe. Mein einziger Wunsch ist in meiner Mitte zu sein, die fühlt sich so leicht an. Alles andere sind nur Begleiterscheinungen des Lebens, die Herausforderungen.

"Wir sind nur gekommen ein Traumbild zu sehen, wir sind nur gekommen, zu träumen, nicht wirklich, nicht wirklich sind wir gekommen, auf der Erde zu leben."
Tochihuitzin Coyolchiuhqui (Ende 14. - Mitte 15. Jhdt.), aztekischer Dichter und Philosoph

https://www.youtube.com/watch?v=PLFVGwGQcB0

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